Die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Mietverträge über Geschäftsräume in der Türkei
Der Covid 19 - Ausbruch, der am 1. Dezember 2019 in Wuhan / China begann, wurde am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie erklärt. Nach dem ersten Fall in der Türkei wurden einige Maßnahmen vom Staat ergriffen. In diesem Zusammenhang wurden Ausgangssperren für Personen über 65 und unter 20 Jahren verhängt, und einige Geschäftsbereiche (z. B. Bars, Cafés, Fitnessstudios, Friseure usw.) wurden vorübergehend eingestellt. Darüber hinaus werden die Menschen von den Behörden konsequenterweise gewarnt, zu Hause zu bleiben und nicht auf die Straße zu gehen.
Warnungen und Maßnahmen verhindern die Ausbreitung der Pandemie aber verlangsamen unweigerlich das Geschäftsleben. Eines der größten Sorgen von Geschäftsleuten ist, wie sie ihre Mietgebühren am Geschäftsraum bezahlen können, auch wenn sie keine Geschäfte tätigen. Die Frage, auf die im Rahmen unseres Artikels die Antwort gesucht wird, ist, ob die Mieter verpflichtet sind, den im Vertrag festgelegten Mietpreis in dieser Ausnahmeperiode zu zahlen oder es rechtliche Möglichkeiten gibt, die die Mieter anwenden können.
In diesem Zusammenhang wird zunächst der Inhalt des Vorläufigen Artikels 2 des Gesetzes Nr. 7226 über die Mietverträge geprüft werden, der am 26. März 2020 im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Danach werden die Mietverträge der Arbeitsplätze, deren Aktivitäten durch die Entscheidung der Verwaltung vorübergehend ausgesetzt sind, und die Verträge für die Arbeitsplätze, die ihre Aktivitäten während der Pandemie fortsetzen / fortsetzen können, separat erörtert werden.
Der Vorläufige Artikel 2 des Gesetzes Nr. 7226
Der Vorläufige Artikel 2 des Gesetzes Nr. 7226 lautet wie folgt:
„Die Nichtzahlung der Mietforderung, die von 01.03.2020 bis 30/06/2020 auflaufen, ist kein Grund für die Kündigung des Mietvertrags über Geschäftsraume“.
Das Ziel dieser Regelung ist, die Mieter der Geschäftsräume gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu schützen. Die Hauptschuld des Mieters in den Mietverträgen ist die Zahlung des Mietzinses (tOR.[1] Art. 313). Die Nichtzahlung des Mietgelds führt dazu, dass der Mieter in den Verzug des Schuldners gerät, wenn andere notwendige Bedingungen vorliegen. In tOR. Art. 315 des Obligationenrechts gibt es eine besondere Regelung bezüglich des Verzuges des Mieters. Gemäß diesem Artikel; für den Fall, dass der Mieter fällige Miet- oder Nebenkosten nicht bezahlt, so kann der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen um den Vertrag zu kündigen, sofern der Mieter seine Schulden nicht innerhalb dieser Frist erfüllt.
Der Zweck des Vorläufigen Artikel 2 des Gesetzes Nr. 7226 besteht darin, die Kündigung des Vertrages durch den Vermieter zu verhindern, falls der Mieter die Mietkosten von 01.03.2020 bis 30.06.2020 nicht bezahlen kann und daher in Verzug gerät. Obwohl laut des Artikels angegeben ist, dass der Vertrag im Falle der „Nichtzahlung der Mietforderung“ nicht gekündigt werden kann, sollte das ausgelegt werden, dass der Vertrag auch nicht gekündigt werden kann, wenn die Nebenkosten nicht gezahlt werden.
Die weitere Funktion dieser Regelung ist, den Vermieter daran zu hindern, den Mietvertrag gemäß Artikel 352/II des Obligationengesetzes zu kündigen. Gemäß Artikel 352/II kann der Vermieter die Mietsache mit einer Klage räumen, die am Ende der Mietdauer zu eröffnen ist, sofern der Mieter innerhalb desselben Mietjahres zweimal wegen Nichtzahlung der Miete Abgemahnt wurde. Der Gesetzgeber möchte mit Hilfe von diesem Artikel verhindern, dass Mieter es sich es zur Gewohnheit machen, ihre Miete zu spät zu zahlen. Der Vorläufige Artikel 2 verhindert jedoch, dass die Abmahnungen von Vermietern über die Mietkosten, die zwischen März und Juni auflaufen, im Rahmen von Artikel 352/II bewertet wird.
Die durch das Gesetz Nr. 7226 eingeführte Regelung verhindert die Kündigung des Mietvertrags, wenn die Mietgebühren, die in dem Zeitraum von 4 Monaten von Anfang März bis Ende Juni auflaufen, nicht bezahlt werden. Diese Regelung ist jedoch keine Regelung, die die Mietforderung für diesen Zeitraum beseitigt oder den Verzug des Mieters verhindert. Aus diesem Grund können die Vermieter, wenn die Mietkosten, die innerhalb der angegebenen 4 Monatsfrist auflaufen, nicht bezahlt werden, gemäß tOR Art. 120 Verzugszinsen von den Mietern verlangen.
Die Mietverträge von Geschäftsräumen, Deren Tätigkeit Eingestellt Wird.
Wie wir bereits erwähnt haben, wurden Tätigkeit von einigen Geschäftsbereichen (z. B. Bars, Cafés, Fitnessstudios, Friseure usw.) vorübergehend eingestellt. Es ist eine Frage zu beantworten! Diese Frage ist ob die Mieter die Mietkosten von diesen Geschäftsräumen zahlen müssen.
Die Mietverträge begründen ein Dauerschuldverhältnis. Denn der Vermieter verpflichtet sich nicht nur für die Übergabe des Mietgegenstandes gemäß der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung, sondern auch, ihn für die Dauer des Vertrages in diesem Zustand zu erhalten (tOR. Art. 301). Das Auftreten eines Mangels nach der Übergabe, dass die Verwendung des Mietgegenstandes gemäß dem im Vertrag vorausgesetzten Zweck verhindert, begründet die Mangelhaftung des Vermieters nach tOR. Art. 304 ff. Es ist nicht erforderlich, dass der Mangel auf ein Verschulden des Vermieters ankommt, um für die mangelhafte Erfüllung verantwortlich zu sein. Anders gesagt muss der Zustand nicht vom Vermieter ausgehen. Deswegen kann die Einstellung der Geschäftstätigkeit als Mangel ausgewertet werden, obwohl der Vermieter kein Verschulden darüber hat. Aber dafür müssen die Parteien im Vertrag festgehalten haben, welche Tätigkeit im Mietgegenstand auszuüben ist. Wenn es keine Vereinbarung gibt, hat der Vermieter keine Gewährleistung wegen der Einstellung der Geschäftstätigkeit.
Gemäß Art. 306/I kann der Mieter die Mangelbeseitigung vom Vermieter verlangen. Allerdings muss die Beseitigung von Mängeln für den Vermieter möglich und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch zumutbar sein[2]. Im Falle von Einstellung der Geschäftstätigkeit bei Notfällen ist es für den Vermieter unmöglich, die Beseitigung dieser Einstellung / dieses Mangels zu verlangen. Deswegen kann der Mieter nur die Herabsetzung des Mietzinses bis Behebung der Einstellung (tOR. Art. 307) oder Kündigung des Vertrags (tOR. Art. 306/II)[3] Anfordern. Aber der Vermieter muss nicht den Mieter Ersatz leisten, weil die Einstellung der Geschäftstätigkeit nicht auf sein Verschulden ankommt (tOR. Art. 308).
Die Mietverträge von Geschäftsräumen die Ihre Tätigkeit Fortführen
Für die Geschäftsräume die ihre Tätigkeit fortführen darf man keine Herabsetzung des Mietzinses durch Mängelhaftung verlangen. Man hat nur zwei Möglichkeiten. Diese sind die Anpassung des Vertrags gemäß tOR. Art. 138 oder die Anfechtung des Vertrags wegen Irrtum.
Wenn die für den Vollzug des Vertrags entscheidende Umstände, welche die Geschäftsgrundlage bilden, sich ändern und die Parteien diese Änderungen nicht erwarten, verlangen sie die Anpassung des Vertrags zu dem neuen Zustand (tOR. Art. 138). Wenn es angesichts der neuen Umstände treuwidrig gewesen wäre, einer von Vertragsparteien weiterhin auf den Vertrag behaften zu wollen, darf diese Partei die Anpassung des Vertrages verlangen.
Covid-19 Pandemie ist zweifellos ein unerwarteter Umstand. Wenn die Zahlung des Mietzinses wirtschaftlich untragbar für den Mieter ist, kann der Mieter die Anpassung des Vertrags gemäß Art. 138 verlangen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass bei der Anpassung des Vertrages nicht nur die Interessen des Mieters, sondern auch des Vermieters berücksichtigt werden sollten. Es muss ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Parteien hergestellt werden.
Die andere Möglichkeit des Mieters ist die Anfechtung des Vertrags wegen des Grundlageirrtums. Wenn der Irrtum einen Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde und nicht irrende Vertragsgegner die Bedeutung dieses Sachverhaltes erkennen konnte, ist der Irrtum wesentlich (tOR. Art. 32). Gemäß Art. 39 kann die Irrende den Vertrag innerhalb Jahresfrist anfechten. Die Frist beginnt mit der Entdeckung des Irrtums[4].
Es ist für einen Mieter selbstverständlich, mit dem Motiv zu handeln, dass eine bestimmte Anzahl von Kunden den Bereich, wo sein Geschäft liegt, besichtigt. Dazu ist dieses Motiv erkennbar für den Vermieter. Ebenso dann für den Fall, dass die Straßen vollständig geleert sind und das Geschäftsvolumen aufgrund der Covid-19 Pandemie auf nahezu Null sinkt, kann gesagt werden, dass die Mieter den Mietvertrag wegen des Grundlageirrtums anfechten dürfen.
Die Fußnoten
Hans Giger, Berner Kommentar (Art. 256-259i OR), 2015, Art. 259b, N. 10; Peter Higi / Christoph Wildisen, Zürcher Kommentar (Art. 253-265 OR), 2019, Art. 259b, N. 11. ↩︎
Wenn die Beseitigung des Mangels ist unmöglich, darf der Mieter nur die weitere Rechte bei Mängel (Haluk Tandoğan, Borçlar Hukuku Özel Borç İlişkileri Cilt I/2, 2008, s. 119-120; Murat İnceoğlu, Kira Hukuku Cilt 1, 12 Levha Yayınları, 2014, s. 169). ↩︎
Für die detaillierte Informationen auf Türkisch siehe: M. Tolga Özer, Medeni Hukukta Hata Kavramı, 12 Levha Yayınları, 2019, s.114 ff. ↩︎